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50 Schattierungen von Grau

Sie bestimmen mehr und mehr unser Stadtbild: Graue, teils mannshohe, plastikdurchflochtene Sichtschutzzäune. Fraktionsübergreifendes Kopfschütteln löste in der letzten Stadtratsitzung mal wieder ein entsprechender Antrag aus. 180 cm wollte der Antragsteller - wo laut Bebauungsplan nur 120 cm erlaubt waren - inklusive WPC-Wand (=Holz-Kunststoff-Verbundstoff).

Großzügig hatte der Stadtrat in der Vergangenheit  - gegen die Stimmen der Aktiven/Grüne -  ähnlichem Ansinnen mehrheitlich zugestimmt, so dass auch dieser Antrag durchgewunken werden musste - wenn auch diesmal mit sichtlichem Missfallen: „Wieder eine weitere graue Plastikwand, die unsere Straßen verschandelt“. Die Stadt hatte bei der Erstellung der Bebauungspläne versäumt, die Beschaffenheit der Einfriedungen - also das Material -  vorzugeben. Niemand hatte damals auf dem Schirm, dass einige Bürger*innen auf die Idee kommen könnten, ihren Ausblick auf die Welt mittels grauer Plastikwände zu beschränken. Diese liberalen Vorgaben rächen sich jetzt.

Warum erliegt man dem „Charme eines dauerparkenden LKWs“ am eigenen Grundstück? Sind es Erwägungen, wie Sichtschutz vor dem Nachbarn oder gleich dem gesamten Gemeinwesen? Sind es der Preis, die Unverrottbarkeit oder modische Aspekte, weil Grau gerade schick ist und es harmonisch mit dem tristen Stein-Grau der Garageneinfahrt chanchiert? Ist es nur coronabedingter Geschmacksverlust oder Ausdruck der inneren Befindlichkeit der Bewohner - ähnlich wie bei den Schottergartenbesitzern? Ist es als Statement zu verstehen, sozusagen als ein ökologischer Stinkefinger: „Mich interessiert Umweltbelastung durch Herstellung, UV-Zersetzung und Entsorgung nicht!?“ Gänzlich unerforscht ist auch, welche langfristigen Auswirkungen eine allseitige graue Blickbeschränkung auf die Bewohner inklusive Mikroplastik haben wird - sicherlich nichts Gutes. 

Soll man über Geschmack streiten? Angesichts der Probleme vor denen wir und unsere Umwelt stehen - unbedingt! Plastikzäune und Co sind nicht nur für die meisten von uns eine visuelle Bürde und fragwürdiger Modetrend, sondern vor allem eine vermeidbare Umweltbelastung. 

Dr. Gerd Kelly, Stadtrat/Kreisrat, Aktive Bürger/Grüne