Energieunabhängig und klimaneutral - was machen andere Gemeinden besser?
Wie wichtig Energieunabhängigkeit ist, zeigen uns schmerzhaft die Ereignisse im Russland-Ukraine-Konflikt. Andere Gemeinden in Bayern sind besser darauf vorbereitet, davon konnte ich mich bei einem Treffen mit Kommunalpolitikern aus ganz Bayern am 11.2.22 überzeugen.
Es war sehr ernüchternd, was z. B. aus Furth bei Landshut, Pfaffenhofen a. d. Ilm oder Fuchstal berichtet wurde. Die Gemeinde Furth bei Landshut ist längst energieautark, speichert seinen Strom, bzw. verkauft an die Umlandgemeinden die Überschüsse. Der Ort hat sich schon 1996 unter seinem Grünen Bürgermeister die Nachhaltigkeitsstrategie fraktionsübergreifend auf die Fahnen geschrieben. Mittlerweile hat Furth die höchste Photovoltaik-Dichte je Einwohner von ganz Deutschland und produziert damit 4.000.000 kWh im Jahr nur über die Bürgerdächer.
In Pfaffenhofen a. d. Ilm (ca. 24.000 Einwohner) - ebenfalls auf Autarkie-Kurs - hat sich der Stadtrat schon seit Jahren an den Vorgaben des Kyoto-Protokolls orientiert. Es wurde eine Bürgerenergiegenossenschaft unter Moderation der Stadt gegründet und alle Strom- und Gasnetze rekommunalisiert. Zusätzlich wurde eine Windkraftanlage gebaut und die Nahwärme über Biogas und Hackschnitzel gesichert. Drei weitere Windkraftanlagen sind in Planung, damit ist Pfaffenhofen noch vor 2030 klimaneutral.
Um Flächenversiegelung zu reduzieren und den kommunalen Haushalt zu entlasten (>Bau von Schulen/Kindergärten) wurde das Wachstum des Ortes auf 0,5% der Einwohnerzahl/Jahr begrenzt - Baugebiete werden somit sehr restriktiv mit entsprechenden Auflagen wie PV-Pflicht auf allen Neubauten (Gewerbe + Privat) - ausgewiesen.
Der ÖPNV ist im ganzen Ort kostenfrei. Expressbusse können per App angefordert werden (Wartezeit 8-10 Min). Seit Jahren betreibt die Stadt ein Nachhaltigkeitsbüro, das Bürger/Firmen auch gezielt und kostenfrei beraten kann und günstige Sammelbestellungen organisiert Photovoltaik/Wärmepumpen/Solarthermie/energetische Sanierung usw.).
Alle Landwirte sind über eine, von der Stadt organisierte ökologische Bodenallianz zu einer pestizidfreien Landwirtschaft verpflichtet worden.
Lastenräder Vermietung und Carsharing des eigenen Autos über eine städtische App wurden eingerichtet. Die Stadt erarbeitet seit 2 Jahren einen Hitzeaktionsplan und lässt seine Gärtner speziell bezüglich hitzeresistenter Bepflanzung schulen.
Auch die Gemeinde Fuchstal im oberbayerischen Landkreis Landsberg am Lech ist fast energieautark. Neben 4 Windkraftanlagen, Photovoltaik auf allen kommunalen Dächern, einer 1,2 Megawatt Freiflächenanlage, Stromspeicher und Nahwärmenetz - gespeist von einer Biogasanlage - speichert ein 50 Millionen Liter fassender Wasserspeicher den aktuell nicht benötigten Strom in Wärmeenergie. Die Bürger zahlen dadurch nur die Hälfte der marktüblichen Heizkosten im Jahr. Mittlerweile bleiben durch die vor Ort produzierte Energie 4 Millionen Euro pro Jahr im Gemeindesäckel hängen und müssen nicht nach Norwegen oder Russland überwiesen werden. Dafür gab es auch die Auszeichnung „Gestalter Energiewende Bayern“.
Da treibt es einem schon die Schamesröte ins Gesicht, wenn man sieht, wie weit bereits andere Kommunen im Gegensatz zu Neutraubling sind. Wohlgemerkt, hier ist nicht die Rede von Orten, die im Fantasieland liegen, sondern „um´s Eck“ und z. T. über weniger Gewerbesteuer verfügen, als wir.
Der Neutraublinger Haushalt 2022 und das Investitionsprogramm 2022-25 sind - vergleicht man diesen mit den Anstrengungen der Vorreitergemeinden - völlig unzureichend bzw. fahrlässig unambitioniert und wurden von uns abgelehnt.
Wir müssen uns jetzt mit Gewerbetreibenden, Industrie und den Umlandgemeinden verzahnen und gemeinsame Energiekonzepte inklusive Speicherung erarbeiten: Können z. B. Windkraftanlagen zwischen Mintraching und Lerchenfeld gemeinsam mit Bürgerenergiegenossenschaften betrieben werden?
Es müssen Gespräche mit der Autobahndirektion geführt werden, ob der neue Autobahnwall nicht als PV Freiflächenanlage genutzt werden kann. Auch das Thema Biogasanlage muss wieder auf die Agenda. Das Gut Lerchenfeld stellt gerade auf biologischen Landbau um und wäre ein geeigneter Standort für ein gemeinsames Biogasprojekt mit der Stadt (Nahwärme, Kraftwärmekoppelung).
Wenn man sich die Neutraublinger Dachflächen ansieht, liegt da noch viel Potenzial brach. Hier seid Ihr Hausbesitzer gefordert. Auf der Bank verbrennt gerade Euer Erspartes, am Dach wird es zu einer rentierlichen Investition, hebt den Wert Eurer Immobilie und ist gleichzeitig ein Stinkefinger gegen Putin. Das gilt im Besonderen auch für die riesigen Dachflächen im Industriegebiet.
Wir müssen jetzt „in die Puschen kommen“, sonst verlieren wir unseren Wohlstand durch die neuen weltpolitischen Gegebenheiten und durch verheerende Klimaveränderungen.
Dr. Gerd Kelly Stadtrat - für die Fraktion Aktive Bürger/Grüne